Die Gleichzeitigkeit der Dinge
- Lene Tabatabaei
- 16. Feb. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Für mich hat sich die Welt in den letzten vier Jahren grundlegend geändert. Der immer deutlicher spürbare Klimawandel, Corona, Krieg in Europa, Eskalation im Nahen Osten und Konflikte in unserer deutschen Gesellschaft, die so absurd anmuten, dass ich kaum glauben kann, dass wir uns weiter entwickelt haben sollen.
Steht die Menschheit am Abgrund?
Wie kann man das alles aushalten, den Hass, den gewaltsamen Tod, den geistigen Schwachsinn mächtiger Männer, die Dummheit der Wütenden, die sich nach einer einfachen Lösung sehnen und die Schuld und Verantwortung an andere abgeben? Wie sollen wir damit umgehen, dass unsere Kinder in einer ganz anderen Welt aufwachsen müssen, als wir es durften? Wohin mit Angst und Unsicherheit und woher soll eine Perspektive auf eine glückliche Zukunft kommen?
All das ist erdrückend und traurig. Wir wären keine Menschen, wenn es uns egal wäre. Wir dürfen auch nicht ignorieren, was passiert.
Aber wir dürfen uns fragen, was unser Leiden macht, wem es hilft und wo es Veränderung zum Besseren bedeutet. Und wir können dann erkennen, dass es sinnvoller ist, ins Handeln zu kommen und sich eben nicht von der Last erdrücken zu lassen. Das eigene wertorientierte Handeln schafft Platz für Hoffnung, Sinnhaftigkeit und Selbstwirksamkeit.
Und damit komme ich zur Gleichzeitigkeit der Dinge:
Viele Widersprüche existieren nebeneinander: der Frühling mit den zwitschernden Vögeln, der sich so sehr nach neuer Freiheit anfühlt und der grausame Tod von unschuldigen Kindern, der in seiner Sinnlosigkeit einfach unerträglich ist. Das Mittelmeer, an dem wir unseren Urlaub genießen und das gleichzeitig das Grab so vieler gescheiterter Hoffender ist. Menschen, die sich laut und mutig für ihre Rechte einsetzen und solche, die Demokratien unterwandern, um zu den dunklen Kapiteln der Geschichte zurückzukehren.
Ich habe mich früher immer wieder für meine Privilegien und mein Glück geschämt. Doch auch das nützt niemandem, der es nicht so gut hat wie ich.
Das Herz kann einem wirklich schwer werden in diesen Zeiten.
Und dennoch, ja gerade deswegen ist es so unglaublich wichtig, ein Gegengewicht zu setzen und so viel Schönes in die Welt zu bringen wie nur irgend möglich. Auf dass das Schöne das Furchtbare verdrängt und Raum einnimmt - draußen in der Welt und in unseren Herzen.
Vielleicht können wir nicht die ganze Welt verändern, vielleicht kommt es in der Zukunft noch schlimmer, aber sollten wir nicht gerade deswegen alles genießen und feiern, was schön ist? Sollten wir nicht dankbar sein, für alles, was noch da ist, für die Menschen, die wir lieben, auch für die, die wir verloren haben und deren schmerzvoller Verlust uns aufzeigt, wie groß und stark unsere Liebe ist?
Lasst uns lieben und leben, auch wenn es wehtut, lasst uns Sinn stiften und alles auskosten, was an Schönheit und Freude da ist - ohne zu vergessen, wie zerbrechlich und vergänglich das ist.
Der Wert dieses Genusses liegt eben darin, in der Vergänglichkeit.
Vielleicht ist es unsere Lebensaufgabe, diese Widersprüchlichkeit zu ertragen und zu lernen sie zu verstehen, immer wieder aufs Neue.
Auf jeden Fall, jetzt mehr denn je, ist es unsere Pflicht, so viel zu feiern und Freude zu empfinden, wie es nur geht.

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