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Was ich in einem Männer-Yoga-Kurs über Klischees, Unsicherheiten und Offenheit gelernt habe

Eine Stunde unter Männern – und was sie mir über uns alle gezeigt hat


Ein Mann praktiziert Yoga und dehnt sich

Neulich habe ich mich in diesem Artikel gefragt, warum eigentlich so wenige Männer zum Yoga gehen – und was passieren würde, wenn sie es täten. Damals war das eher ein Gedanke von außen, eine Beobachtung, die mich neugierig gemacht hat. Aber das Thema ließ mich nicht los. Vielleicht, weil ich spürte: Da steckt mehr drin. Mehr als ein paar Klischees über „unbewegliche Männerkörper“ oder „zu esoterische Yogastunden“.


Und dann kam das Leben mir entgegen: Ich wurde gefragt, ob ich eine Vertretungsstunde in einem Männer-Yoga-Kurs übernehmen möchte. Eine schöne Gelegenheit, es einfach mal auszuprobieren – und zu sehen, wie es sich wirklich anfühlt.


Eine Stunde unter Männern


Ich war gespannt, ein bisschen skeptisch vielleicht, aber offen. Wie würde es sein, als einzige Frau in einem Raum voller Männer zu unterrichten? Ob ich mich wohlfühlen würde – oder sie mit mir – wusste ich nicht.


Aber schon nach kurzer Zeit merkte ich: Es war ganz leicht. Eine ruhige, konzentrierte Atmosphäre. Respektvoll, aufmerksam, ohne großes Drumherum. Und als ich nach der Stunde nach Hause fuhr, war ich – im besten Sinn – bewegt und inspiriert.


Ein Mann in der Krieger-Haltung

„Warum seid ihr eigentlich hier?“

Zu Beginn der Stunde habe ich einfach in die Runde gefragt:„ Warum seid ihr in einem reinen Männerkurs? Was bringt euch hierher?“


Ihre Antworten kamen schnell und ehrlich – ganz ohne Zögern. Einer sagte, dass er sich in gemischten Kursen unwohl fühle, weil Frauen „so viel beweglicher“ seien. Ein anderer meinte, er habe Angst, sich zu blamieren oder komisch auszusehen. Wieder ein anderer erzählte, dass er sich vor Frauen schäme, seinen Körper zu zeigen. Und mehrere sagten, dass sie froh seien, wenn Yoga nicht „zu esoterisch“ rüberkommt.


Ich stand da und hörte zu – und war einigermaßen perplex. Nicht, weil mich das schockiert hätte, sondern weil ich diese Sätze so gut kannte. Denn im Grunde hätten sie genauso gut von Frauen kommen können.


Wir sind gar nicht so verschieden

Diese Offenheit der Männer hat mich berührt. Weil sie gezeigt hat, wie ähnlich wir uns alle sind – mit unseren Unsicherheiten, Vergleichen und Selbstzweifeln. Wir Frauen sprechen oft darüber, dass wir Angst haben, bewertet zu werden, nicht gut genug zu sein, zu viel oder zu wenig. Und hier saßen Männer, die genau das Gleiche fühlten.


Ich dachte: Vielleicht haben wir uns alle ein bisschen voneinander entfernt – auch im Yoga. Weil wir glauben, dass die anderen etwas haben, was uns fehlt. Beweglichkeit. Stärke. Gelassenheit. Dabei suchen wir doch alle dasselbe: einen Raum, in dem wir einfach sein dürfen.


Ein ehrlicher Blick auf uns selbst

Und dann kam die Selbstreflexion: Wie oft inszenieren wir Frauen unsere „geschmeidigeren“ Körper in stylischen Leggings? Wie oft genießen wir – bewusst oder unbewusst – den Blick, der uns bestätigt?


Ich kritisiere ja oft diese „Shiny-Yoga-Bubble“ – die pastellfarbenen Studios, Matcha-Latte-Ästhetik, alles beige und harmonisch. Aber dass diese glatte Oberfläche auch eine Grenze zieht – und Männer sich dort fehl am Platz fühlen könnten – das war mir vorher nicht bewusst.

Diese Stunde hat das verändert.


Ein Yogaraum für alle

Räume für alle schaffen

Mir ist klar geworden: Yoga sollte kein Rückzugsort vor der Männerwelt sein. Sondern ein Ort, an dem wir uns alle ehrlich begegnen dürfen – ohne Rollen, ohne Vergleich, ohne Ego.


Denn auch Männer tragen Verletzungen, Unsicherheiten und Erwartungen in sich. Auch sie haben gelernt, zu funktionieren, stark zu sein, sich nicht zu zeigen. Das Patriarchat schadet ihnen genauso – nur auf andere Weise.


Wenn Yoga ein Raum sein kann, in dem wir all das ablegen dürfen, dann sollte er offen sein. Für Männer. Für Frauen. Für alle.


Was nach dem Männer-Yoga Kurs bleibt

Ich bin dankbar für diese Stunde. Für die Offenheit dieser Männer. Und für den Spiegel, den sie mir vorgehalten haben.


Sie haben mir gezeigt, dass auch ich Klischees in mir trage – und dass es sich lohnt, sie immer wieder zu hinterfragen. Manchmal entstehen die wertvollsten Einsichten genau dort, wo wir einfach zuhören. Oder, in meinem Fall: wo ich frage – und bereit bin, wirklich zu hören, was zurückkommt.


Und vielleicht ist das ja ohnehin die eigentliche Praxis des Yoga: Immer wieder weich werden. Immer wieder offen bleiben. Immer wieder hinschauen.


Ich dachte, ich würde eine Männergruppe unterrichten – und habe stattdessen etwas über Nähe, Offenheit und mich selbst gelernt.


Ein Mann in die Meditation versunken

 
 
 

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